Grappas für die Papas

Pfingsten 2017 – Trentino und Lombardei

... den Sinn einer weiten Reise muss nicht jeder verstehen!

Donnerstag, 1. 6. 2017

Ich bin mal wieder vor dem Beginn einer Tour viel zu früh wach – schon um 5 Uhr weckt mich ein Kribbeln im Bauch, das auch nach so vielen gefahrenen Touren immer noch einsetzt, wenn es wieder losgeht. Also stehe ich leise auf, um niemanden im Haus zu wecken. Rasieren, Kaffeemaschine einschalten (Wasser, Filter und Kaffeemehl sind schon seit gestern Abend eingefüllt…) und Zeitung reinholen. Routine am Morgen. Aber diesmal ist es zum Glück anders: die Motorradklamotten liegen auf dem Flur bereit.

Pünktlich um 7 Uhr treffen wir drei uns vor meiner Garage. Elmo steht schon seit einer halben Stunde in der Morgensonne. Klaus repariert wie vorher abgesprochen noch fix die Frontscheibe mit einer kleinen Madenschraube, die er im letzten Jahr verloren hatte. Noch ein Tröpfchen Schraubensicherungsmittel ans Gewinde, dann ist auch das erledigt, und es kann losgehen!

Trotz Morgensonne ist es recht frisch. Ich hatte die GoreTex-Membran am Tag zuvor aus meinem neuen Held-Anzug herausgenommen. Ich dachte, es wäre in der neuen Schutzkleidung, die ich mir für die geplante Tour 2019 gekauft und nun erstmals testen wollte, warm genug. Aber bei einstelligen Temperaturen komme ich nur mit einem dünnen Pullover unter der Jacke doch schnell an meine Grenzen. Mal sehen, wie es im Gebirge werden wird…

Noch sind wir auf der A7 und fahren an Göttingen vorbei, biegen auf die Autobahn 37 ab und kommen bei Friedland auf die B 27 – eine schöne Alternative zu den Kasseler Bergen und dem dichten Verkehr auf der dortigen Autobahn. In Witzenhausen wollen wir eigentlich eine Bratwurst als zweites Frühstück futtern, aber dafür ist es noch zu früh: die Holzkohle glüht erst ab 11 Uhr! Daher fahren wir ein paar hundert Meter weiter, und es gibt eine Bockwurst und heißen Kaffee in einem Bäckereicontainer, in dem es lecker nach frischen Brötchen riecht.

Zum Glück wird es nun deutlich wärmer und gemütlicher auf den Motorrädern. Wir brummen an Fulda vorbei, wedeln auf der herrlich kurvigen Straße durch Hammelburg, sehen rechts neben der Straße die Dächer von Rothenburg ob der Tauber und machen schließlich in Dinkelsbühl eine weitere Pause bei McD. Heute dauert der Big Mäc hier etwas länger – Fastfood ist das nicht. Dafür gibt es aber nach einer freundlichen Beschwerde einen Salat und drei Apfeltaschen extra.

Vor Nördlingen beginnt eine Umleitung für die B25, und wir lernen neue Straßen kennen, sind aber dann bei Donauwörth wieder auf bekanntem Teer. In Augsburg nervt der Feierabendverkehr auf der öden Stadtautobahn. Bei einer kurzen Toilettenpause bemerkt Klaus, dass der Scott-Oiler nicht richtig funktioniert: leider hat er Luft gezogen, und es kommt kein Öl mehr an die Kette. Nach einer kurzen Änderung auf maximale Menge füllt sich der kleine Schlauch aber wieder zufriedenstellend.

Landsberg am Lech und Schongau ziehen vorbei. Schließlich haben wir Bad Bayersoien erreicht und beziehen im Bayertsoier Hof (ein Gasthaus mit Metzgerei) unser Quartier für die Nacht. Die sehr gesprächige Senior-Chefin erklärt uns ungefragt, dass der Name Bayersoien von „bei den Seen“ kommt, die aber heute allesamt verlandet wären. Zum Glück wissen wir das jetzt!! Und weil die gute Frau sich auch sonst rührend um uns kümmert, zünden die beiden Ankunftsbiere schließlich ordentlich! Wir sind ja auch nicht zum Spaß hier!

Schnell wird dann geduscht, und es geht mit gutem Hunger zurück in die Gaststube zum Abendbrot. Wir bestellen ein „Rehlein“ (vom örtlichen Wilderer): Gulasch aus der Keule mit Spätzle, einen „Sau“-Schweinebraten mit heller Soße und zwei Knödeln sowie die Sülze mit Bratkartoffeln. Alles wird mit weiteren Bieren gewürzt…

Weil Peter in seinen Koffern eine „Williams-Birne“ mitgenommen hatte, gibt es auf dem Balkon unserer Zimmer in bester Laune einen „Birn-Out“, man könnte aber auch sagen einen After-Birner…

 

Freitag, 2. 6. 2017

Wir wachen auf im Schnitzelparadies, denn nach dem guten Frühstück (diesmal ohne Senior-Chefin, denn sie schläft morgens gerne etwas länger) holt Peter aus der Metzgerei für 8,- € drei warme, panierte und frisch gebratene Schnitzel für das Picknick unterwegs. Eine hervorragende Idee!

Um halb zehn starten wir die Maschinen. Rasch wird klar, dass es gleich nass werden könnte! Bis Innsbruck ist die Wetterlage alles andere als klar! Die paar Tropfen, die gegen unsere Visiere klatschen sind aber ungefährlich. Wir kommen trocken durch. Auf der alten Brennerstraße müssen wir jedoch aufpassen: auf der Bergseite ist die Fahrbahn nass, denn vom Berg her fließt Wasser herunter. Es muss also zuvor ganz schön geschüttet haben. Je höher wir jedoch kommen, umso besser wird es für uns. Wie schon ein paarmal zuvor kaufen wir in Matrei im Billa-Markt weiteres Proviant für uns ein. Weißbrot, Zutaten für einen Salat, Wasser…

Dann fahren wir über den Brennerpass, und ab hier scheint die Sonne! Motorradfahren ist einfach herrlich. Wir kennen von früher in Sterzing den kleinen Park zwischen der Straße und der Eisack, und wir halten dort wieder für unser zweites Frühstück. Schnell kocht das Wasser für den Kaffee, sind die Schnitzel ausgepackt und der Salat angerichtet.

 

Das Glück ist auf unserer Seite: seit ein paar Tagen ist das Penser Joch nach der langen Wintersperre wieder für den Verkehr frei gegeben, und wir brummen auf der im unteren Verlauf gut einspurigen Straße bei wenig Verkehr die herrlichen Kurven entlang. Weiter oben wird die Straße etwas breiter, und nach der Baumgrenze öffnet sich die Sicht auf die umliegenden Berge. Auf der Passhöhe legen wir gegenüber vom „Alpenrosenhof“ eine Pause ein. Von beiden Seiten der Passstraße kommen kleine Gruppen Motorradfahrer hinaus – wir hören die hochdrehenden Maschinen schon weit unten im Tal. Ansonsten ist es hier oben ruhig. Die ganz hohen Berggipfel liegen allesamt in den Wolken. An vielen Bergflanken liegen noch Altschneereste. Plötzlich donnert es im Westen.

 

Aus Richtung Jaufenpass und Timmelsjoch zieht eine dunkle Regenfront rasch in unsere Richtung. Bereits nach wenigen Kilometern talab treffen uns die ersten Tropfen. Noch werden wir von schneller fahrenden Motorradkollegen munter überholt. Aber bereits nach wenigen Minuten entdecken wir sie bei der Weiterfahrt in einer kleinen Bushaltestelle rechts neben der Straße, wo sie offensichtlich doch lieber abwettern wollen. Ein Blick in Richtung Süden zeigt, dass wir Glück haben könnten: wenn wir trotz des immer stärker werden Regens einfach weiterfahren, dann müssten wir in absehbarer Zeit unter den schweren und dunkelgrauen Regenwolken, die sich hier im Tal zunehmend breit machen, hindurch sein. In Richtung Bozen ist sogar blauer Himmel zu erkennen. Also Zähne zusammenbeißen und durch!

Bald folgen die Tunnel der Sarntalstraße, die uns Regenschutz geben, und schließlich trocknet die Sonne unsere feucht gewordenen Jacken. Wir haben es geschafft. Bei einem Blick zurück wird klar, dass sich das Gewitter weiter oben im Tal festgesetzt hat. Hoffentlich sind die Holzbänke in der Bushaltestelle bequem – die Wartezeit auf trockenes Wetter könnte sich in die Länge ziehen…

Wir erreichen Bozen, und es ist richtig warm hier! In den immer enger werdenden Straßen der Altstadt machen wir eine Espressopause bei „Patrick“. Der Besitzer des kleinen Cafés spricht als echter Südtiroler auch deutsch und gibt uns gerne den Tipp, dass wir bei der Weiterfahrt Richtung Süden die Ausschilderung Tramin und Kalterer See beachten sollten, und das war ein guter Ratschlag. Wir brummen durch riesige Weinberge abseits der vielbefahrenen Brennerautobahn unten im Etschtal. Es gibt zwar einen weiteren Regenguss, aber auch der ist bald vorbei und wir erreichen schließlich das hektische Trient.

Sehr bald verlassen wir die Strada Statale SS45bis, die hinüber nach Sarce und dann weiter zum Gardasee führt. Auch wenn es schon etwas später geworden ist, wollen noch unbedingt hinauf auf die Cima Palon, und die Kehren auf der kleinen Bergstraße kommen Schlag auf Schlag! Immer höher hinauf schraubt sich die Straße auf den steil über dem Etschtal aufragenden Trienter Hausberg. Wir freuen uns mit einem breiten Grinsen, dass wir diese imposante Nebenstraße heute noch als Abschluss gewählt haben. Fast auf der Passhöhe liegt ein großes Skigebiet, aber der Schnee ist bereits überall geschmolzen und auf den Wiesen wachsen Gras und Kräuter.

Bei einer Abzweigung hoch oben am Berg wählen wir die einspurige Straße Richtung Carniga Terme. Ein großes, recht edel aussehendes Hotel ist offensichtlich als Flüchtlingsherberge vermietet – die Saison ist vorbei, und die Räume werden nicht mehr für zahlungskräftige Skifans genutzt. Uns fallen Menschengruppen am Straßenrand auf, die mit ihrer Hautfarbe und ihrer Garderobe nicht in diese einsame und abgelegene Berglandschaft passen wollen…

Schließlich erreichen wir nach einer nicht enden wollenden Schleichfahrt hinter einem PKW her ohne die geringste Chance, auf der engen Straße überholen zu können, unser Tagesziel, das Hotel Miramonti im kleinen Kurort Carniga Terme. Nach dem traditionellen Zielbier geht es auf die Zimmer. Das war doch ein toller Tag!

Auf dem Parkplatz unter unseren Zimmern kommt eine weitere Motorradgruppe an. Wir erkennen die Motorräder mit den Kennzeichen aus Garmisch-Partenkirchen sogar wieder: bereits in Innsbruck waren wir im dichten Stadtverkehr auf den beiden Fahrspuren der Hauptstraße nebeneinander her gefahren.

Inzwischen haben wir geduscht und kehren umgezogen zum Essen ins Restaurant zurück. Am Nachbartisch wird das Gegröle der anderen Biker zunehmend unangenehm. Die Jungs trinken nämlich nicht nur ein Willkommensbier, sondern eins nach dem anderen… Einer von ihnen trägt ein „drolliges“, demonstrativ blau-weißes Stoffkäppi, und der Typ scheint der Anführer zu sein. Nach jedem lautstarken Spruch lachen und grölen die anderen wie auf Kommando zusammen los. Und dem Mützenträger fallen ständig neue Witze ein. Selten habe ich das Auftreten einer deutschen Gruppe im Ausland so beschämend gefunden wie hier!

Später sitzen wir noch kurz auf dem Zimmerbalkon und trinken einen Birnen-Absacker. Der Kirchturm gegenüber vom kleinen See ist inzwischen angestrahlt, im Hintergrund zeichnen sich noch die Berggipfel in Richtung Dolomiten ab, die Sterne am Nachthimmel funkeln, eine Entenfamilie watschelt vom See kommend hintereinander am Hotel vorbei zu ihrem Schlafplatz. Unten im Restaurant wird ein neuer Witz erzählt, und sieben oder acht betrunkene Motorradfahrer lachen zusammen los, schreien und grölen…

 

Samstag, 3. 6. 2017

Die Fenster unseres Zimmers waren während der Nacht geschlossen. Die Bayern waren uns ganz einfach viel zu laut gewesen. Daher ist es etwas stickig im Zimmer. Beim Lüften aber kommt schnell herrlich kühle Morgenluft ins Zimmer. Draußen scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel über dem Trentino. Unten auf der Straße knattert ein kleiner Maserati-Trecker mit Anhänger vorbei. Ein Hahn kräht. Um halb acht gehen wir zum Frühstück hinunter, und trinken zunächst einen Kaffee: schwarz wie altes Motorenöl!

Während wir am Frühstückstisch sitzen trudeln auch die Bayern nach und nach ein. Heute früh ist man etwas leiser. Irgendwann komm auch der Boss (der mit dem Käppi), bestellt mit internationalem Sprachkönnen „Ein egg!“ und zeigt sofort allen Anwesenden mit lautstarken Sprüchen, dass zumindest er den Abend völlig folgenlos überstanden hat. Was bleibt dem „Gefolge“ dann auch anderes übrig, als wieder laut zu lachen ihm hemmungslos zu huldigen.

Schnell machen wir uns auf den Weg – und hoffen inständig, dass wir uns bitte heute am Abend nicht wieder sehen werden!

Es geht bergab in Etschtal. In Mori tanken wir für schlappe 1,57€/l – dreißig Cent mehr als zu Hause. Hoch über der Stadt thront die hohe und senkrechte Felswand, durch die quer hindurch der atemberaubende Klettersteig Monte Albano geht. Erinnerungen werden wach…

Im dichten Samstag-Vormittag-Verkehr fahren wir in Richtung Gardasee und halten kurz nach Nago an jenem Aussichtspunkt, an dem die schönen Postkartenfotos vom Nordufer des Gardasees und dem Felsen von Riva geschossen werden. Die Aussicht an dieser Stelle ist wirklich besonders schön. Das finden auch viele andere Touristen, denn die Parkplätze sind allesamt belegt. Nur auf der Straße hinunter nach Torbole ist noch mehr los – kein Wunder, denn am Pfingsten-Wochenende ist der Gardasee natürlich ein besonders begehrtes Ziel.

Zunächst aber muss das „Teutonenmeer“, wie der Gardasee in leicht abfälliger Weise von den Einheimischen auch genannt wird, noch auf uns warten. Getreu dem Motto unserer diesjährigen Tour wollen wir „Papas“ uns in der nahen Ortschaft Dro mit ganz besonders leckerem Grappa versorgen. Von früheren Reisen her kenne ich dort die kleine Distilleria Angeli, und habe ganz besonders den Moscato schätzen gelernt. Der Betrieb liegt etwas versteckt im Ortskern des kleinen Dorfes. Wir sind am frühen Vormittag die einzigen Kunden, und freundlicherweise zeigt uns die Chefin bei einer kleinen Betriebsführung sogar die gar nicht so großen Kupferkessel im Destillationsraum. Es ist wirklich nur ein kleiner, weitgehend unbekannter Familienbetrieb. Danach wird es interessant: Peter ist einer homöopathischen Verkostung nicht abgeneigt, und er verdreht genüsslich die Augen – Moscato und auch die goldfarbene Edelmarke „Diamante“ scheinen ihm zu schmecken!

Klaus hat in weiser Voraussicht dafür gesorgt, dass Noppenfolie im Gepäck ist. So können wir die Flaschen sicher und geschützt in unsere Motorradkoffer packen. Erstaunlich, wie viel Gepäck man doch verstauen kann… Grappas für die Papas!

Die Sonne steht inzwischen hoch am Himmel, und die Temperaturen haben deutlich zugenommen! In den Motorradklamotten bekommen wir Durst. Über Arco kommen wir bei nervig dichtem Wochenendverkehr nach Riva. Auch wenn wir reichlich Flüssiges an Bord haben, so brauchen wir doch Wasser und ebenso Proviant für das nächste Picknick. Also fahren wir einen großen Supermarkt an und versorgen uns dort.

Ursprünglich hatten wir vor, am Westufer des Gardasees entlang bis Gargnano zu fahren. Dichter stop-and-go-Verkehr sorgt dafür, dass wir kurzerhand die Straße hinüber zum Ledro-See nehmen und hinter Storo auf einem kleinen Kiesweg direkt neben einem riesigen Holzstapel ein schmackhaftes Picknick mit heißem Cappuccino, frischem Weißbrot und leckeren Würstchen machen. Wie schön, dass wir dem Gedränge des Gardasees entkommen sind.

Direkt von Anfo werden wir jedoch von entgegenkommenden Motorradfahrern unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht, dass vor uns irgendetwas passiert ist. Radarfalle? Unfall? Was genau wissen wir noch nicht. Also runter mit der Geschwindigkeit und nicht zu flott durch die herrlichen Kurven direkt am Ufer des Lago d´ Idro.

Und wieder haben wir unverschämtes Glück. Vor uns staut sich zwar auf einer offensichtlich langen Strecke der Verkehr. In der prallen Sonnen steht Auto hinter Auto, wir jedoch brauchen nur zwei, drei Fahrzeuge vorsichtig links zu überholen, dann mogeln wir uns bedächtig nach rechts ein und schon fahren wir eine winzig kleine Bergstraße steil bergauf. Was so aussieht wie genaueste Ortskenntnis eines Anwohners ist nur die Rampe hinauf zum Passo del Marè, und dort hinauf wollten wir sowieso fahren!

Immer höher hinauf geht es nun in dichtem Laubwald. Richtige Aussichtsstellen gibt es daher eigentlich keine. Etwa auf einer Höhe bleibend folgen nach und nach weitere Pässe auf unserem Weg: Passo della Spina, Passo della Berga und der Passo del Dosso Alto. Zwischendurch haben wir sogar richtig Schotter, und es macht uns allen einen Riesenspaß.

         

Oben auf dem Giogo del Maniva wird es wieder geteert. Ein frischer Wind weht zunehmend dunkle Wolken heran. Es bleibt aber trocken, und das ist gut so, denn auf einer unfassbar schmalen Bergstraße über den Goletto delle Crocette haben wir über den Giogo della Bala noch einmal herrlichen Schotter! Viele suchen hier am Samstag ein kleines Abenteuer: Autos, Rollerfahrer, Motorräder sogar Fahrradfahrer. Alle werden ruckzuck überholt. Unsere Reiseenduros laufen prima, allerdings brechen wir die kurze Pause hoch oben auf dem Passo di Croce Domini dann doch wegen zunehmender Regentropfen ab. Hoch oben in den Bergen ist das Wetter doch nicht ganz so stabil wie weiter unten. Hinter der Ortschaft Breno – das können wir von oben aus sehen – scheint in der Lombardei wieder die Sonne. Gut so, denn da wollen wir hin…

San Pellegrino, bekannt für die Mineralwasserquelle, das hier sprudelt, ist unser nächstes Ziel. Danach geht es genüsslich 1600 Meter hoch hinauf auf den sehr abwechslungsreichen Passo di San Marco, und auf der anderen Seite ebenso viele Meter wieder hinab. Eine feine Straße, sehr zu empfehlen!

Erst um 19 Uhr haben wir unser Ziel kurz vor Chiavenna erreicht. Auch wenn es später als geplant ist, das Ritual im weiteren Verlauf des Abends wird eingehalten: Moretti, Dusche, Pizza, Grappa. Buona notte…

 

Sonntag, 4. 6. 2017

Um 5:50 Uhr werde ich wach und denke, unsere Toilettenspülung ist defekt. Ziemlich viel Wasser rauscht irgendwo entlang. Erst allmählich wird die Richtung klar: es regnet in Strömen, und das Sturzwasser im Fallrohr der Regenrinne macht das Getöse. Na großartig! Ein Wetterwechsel war zwar angekündigt, dass es aber so heftig wird, das war nicht klar gewesen.

Trotz oder vielleicht wegen der monotonen der Geräusche schlafe ich noch einmal bis um 7 Uhr ein, dann klingelt der Wecker. Es regnet leider immer noch. der Blick aus dem Fenster ist entmutigend: die grauen Wolken hängen tief im Tal, Kühe auf der Nachbarweide haben sich in einem Unterstand zusammengedrängt, auf den Wegen sind überall große, prallvolle Pfützen.

 

Als wir eine halbe Stunde später im Frühstücksraum erscheinen, trommelt der Regen immer noch gegen die Fensterscheiben. Nach dem ersten Kaffee kommt die Idee mit der Wetter-App auf dem Handy (Koffein ist toll!). Ein schmaler und regenfreier Korridor genau entlang unserer geplanten Route kündigt sich von Chiavenna über das schweizerisch Chur bis ins württembergische Isny für den ganzen Tagesverlauf an. Noch können wir uns und den Wolkenlücken aber ruhig Zeit lassen. Tatsächlich regnet es um halb zehn nicht mehr, und wir können zwischen den weißen Wolken auch blauen Himmel sehen!

Wir brechen auf. Die Luftfeuchtigkeit ist jetzt zwar noch sehr hoch, aber die Straße trocknet zunehmend ab. Kurze Zeit später sind fahren wir den Splügenpass hinauf – einer meiner Lieblingspässe im ganzen Alpenraum. Der Splügen ist ein langer, sehr abwechslungsreicher Pass. Die Straße geht in dem schmalen Tal steil bergan. Viele Kehren verlaufen im Tunnel, oft liegen die 180°-Kurven nur wenige hundert Meter hintereinander, weiter oben wird die Straße durch zahlreiche und lange Galerien vor Schnee und Lawinen geschützt. Oberhalb der Baumgrenze ist der Scheitelpunkt noch lange nicht erreicht. Am Ufer des großen Stausees haben sich viele Angler eingefunden. Das Eis dürfte noch nicht lange geschmolzen sein, und die Fische haben nach der Winterruhe bestimmt ordentlich Hunger. Nach wie vor ist es trocken, in der zunehmenden Höhe aber auch recht kalt. Dann kommen wir schließlich doch wieder in die Wolken hinein. Links und rechts neben der Straße liegt Altschnee. Es wird neblig, ganz leichter Regen setzt ein. Endlich haben wir die Passhöhe auf 2113m erreicht, und es geht auf schweizerischer Seite wieder hinab. Bald hört auch der Regen wieder auf!

Ab Splügen nehmen wir nicht die Autobahn, sondern bleiben (selbstverständlich!) auf der N13 – der berühmten Via Mala im überaus engen Rheintal. Besonders die Roflaschlucht ist hier imposant. Ich denke, wir haben nur etwa eine halbe Stunde länger gebraucht, als der Verkehr auf der Autobahn, hatten aber bei so gut wie keinem Verkehrsaufkommen viel mehr Fahrspaß.

Bis zum Ende der Via Mala bei Thusis scheint immer wieder die Sonne. Wir geben uns die größte Mühe, dass wir die Geschwindigkeit gewissenhaft einhalten, denn die Gerüchte vor hohen Geldbußen schreckten uns eigentlich von einer Fahrt durch die Schweiz ab. In diesem Jahr gibt es keine Alternative. Als wir gegen Mittag durch Lenzerheide fahren, zieht sich der Himmel komplett zu, und es wird richtig stürmisch.

Wir haben Hunger und wollen eine Pause für ein Picknick machen, finden jedoch leider keinen geeigneten Platz. Erst in einer Serpentine oberhalb von Chur werden wir bei einem Wartehäuschen für eine Buslinie fündig. Hier können wir unseren kleinen Campingkocher windgeschützt einsetzen. Schnell kocht das Wasser für den Cappuccino, danach werden die Würstchen in der geöffneten Dose erhitzt. Ein schweizer Ehepaar kommt zu uns, wartet auf den Bus. Ich entschuldige mich dafür, dass wir die ganze Haltestelle blockieren, werde jedoch beruhigt. Der Bus würde ja gleich kommen. Und es ist richtig „cool, Mann“, dass die beiden ein Stückchen angebotene Salami mit dem Taschenmesser in der Hand abgeschnitten als Snack annehmen. Dann kommt auch schon der Bus – auf Wiedersehen, gute Fahrt und hoffentlich bleibt es trocken – und wir sind wieder für uns alleine im Wartehäuschen.

  

Bergauf finden in unserer Serpentine immer wieder Beschleunigungsorgien mit heftigem Reifenquietschen statt: Bolliden wollen sich bergauf in Richtung Lenzerheide kraftvoll ganz ohne Risiko einer Geschwindigkeitsüberschreitung beweisen. Unsere Kurve bietet aber noch mehr: bergab kommt ein Kleinlaster mit einem schwer beladenen Baggeranhänger, und vermutlich durch das Dauerbremsen qualmt auf der einen Seite die Bereifung bedrohlich. Hier ist wirklich Feuergefahr. Das Kind wird während der Begutachtung des Mallheurs seelenruhig im Auto gelassen…

 

Irgendwann sind die Autoshow und unser Mittagsessen vorbei, und wir fahren quer durch Chur hindurch, kommen im Sonnenschein nach Liechtenstein und wenig später (Liechtenstein ist ja wirklich nicht sehr groß!) nach Österreich. Es ist inzwischen früher Nachmittag, die Konzentration lässt langsam nach, und damit ist es höchste Zeit für einen weiteren starken Kaffee, den wir neben einer Tankstelle trinken, bei der wir auch unseren Kraftstoffvorrat ergänzen. Die Wetter-App zeigt uns, dass es gar nicht weit entfernt im östlich gelegenen Arlberg heftig regnen soll und sich gleichzeitig von Westen her ein ergiebiges Niederschlagsgebiet nähert. Wir jedoch schlürfen unsere doppelten Espressi genüsslich grinsend in herrlichem Sonnenschein!

Klaus wird vom Sprecher einer estnischen Rockband, die gerade durch Europa tourt, angesprochen. Ob wir vielleicht Interesse hätten, für 10,-€ eine CD zu kaufen? Dann könnten sie wieder etwas in eine Autoreparatur investieren. Der rechte vordere Kotflügel ihres Renault Traffic sei locker, und eine Reparatur zwingend notwendig. Ich hole aus meiner Werkzeugtasche ein paar größere Kabelbinder heraus, und schon beginnt die spontane Reparatur. Eine CD kauft Klaus trotzdem, aber so ganz ist die knallharte Musik der Truppe doch nicht unser Geschmack…

Ebenfalls knallhart fahren wir nun an der Regenfront durch den Bregenzer Wald. Die Sonne scheint zwar nach wie vor, die Straße ist aber völlig nass, so dass wir nicht zu dicht hinter den Autos herfahren können. Unmittelbar rechts neben uns ziehen pechschwarze Wolken ab – eine wirklich irre Wetterlage!

Tatsächlich kommen wir trocken in Isny beim Hotel „Bären“ an. Das Gebiet rings um das Hotel herum ist eine riesige Baustelle, aber die Zufahrt war für uns frei. Wir parken unsere Motorräder in der Garage. Die Zimmer sind „standesgemäß“, Bier und Essen (es gibt sogar Zwiebelrostbraten!) richtig lecker, und als wir „Papas“ schließlich zu den „Abschlussgrappas“ aufs Zimmer gehen, fällt es uns nicht schwer, von einem absoluten Top-Tag zu sprechen, nicht wissend, dass es noch besser geht…

 

Montag, 5. 6. 2017

Die Pumpen in der großen Baugrube neben dem Hotel haben morgens nicht nur mit dem Grundwasser reichlich zu tun. Der Wasserstand ist über Nacht gestiegen – denn morgens um kurz vor sieben regnet es bei uns in Isny immer noch heftig. Das derzeitige Wetter ist durchaus ein Grund für schlechte Laune am Morgen. Hinzu kommt eine überaus laut schwatzende und immer wieder laut lachende Gruppe – unsere bayrischen Biker aus Garmisch würden sich mit denen hier sicher blenden verstehen!

Aber nach dem ersten Kaffee ändert sich unsere Laune dank der Wetter-App auch wieder: ein weiterer Wetterkorridor wird sich für uns auftun. Erst weiter nördlich im Maingebiet könnten die Regenklamotten eventuell zu tun bekommen. Noch können wir uns Zeit lassen. Der Regen hört erst in einer guten halben Stunde auf – also genug Zeit für Kaffee, Rührei und (wir können es nicht ändern) die „lustig-laute“ Gruppe am Nachbartisch.

Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie genau die Wetterprognosen sind, die so praktisch auf dem kleinen Display erscheinen. Als wir die Motorräder aus der Garage auf den Parkplatz vor dem Hoteleingang schieben, hat der Regen aufgehört. Geht doch! Also los…

Wir fahren auf kleinen Straßen Richtung Norden in die schwäbische Alb, müssen früh jedoch noch vorsichtig sein, denn der Teer ist noch nicht vollständig abgetrocknet. Auf einer wundervollen Birkenallee geht es voran. Fast keine Autos sind morgens um 10 Uhr unterwegs, in den Dörfern sind keine Menschen zu sehen. Am Pfingstmontag scheint hier unten kollektives Ausschlafen angesagt zu sein.

Irgendwann müssen wir zum Tanken anhalten. Bei der üblichen Tasse Kaffee spüren wir dann doch die ersten Regentropfen auf dem Gesicht. Neben uns halten andere Biker und füllen so wie wir kurz zuvor ihre Tanks auf. „Bei Regen sind wenigstens keine Mücken da!“ Na, das nenne ich mal positiv denken! Bis Aalen haben wir aber noch Glück mit dem Regen. Es „stippert“ nur ganz wenig – kein Grund, jetzt schon die Regenklamotten anzuziehen.

Erst als wir bei McD anhalten geht es richtig los. Der Korridor mit Trockenheit liegt nun weiter im Osten, und da gibt es für uns keine sinnvollen Fernstraßen. Das Regengebiet kommt allerdings nur recht langsam von Südwesten heran. Die Planänderung ist rasch beschlossen: mit Regenschutz auf die A7 und ab nach Norden. Wir wollten zwar auf alle Autobahnen verzichten, aber vielleicht lässt sich ja so das Regengebiet sogar noch überholen. Unsere Motorräder müssen also schneller sein als der Wind – was sich ja fast richtig poetisch anhört, hier jedoch nur den innigen Wunsch nach Fahren in Trockenheit bedeutet.

Blöderweise verfahre ich mich trotz Navi bei der Autobahnauffahrt. Das Helmvisier war zu beschlagen, inzwischen ist Baden-Württemberg aufgewacht und fährt herum, die Regenhandschuhe machen das Bedienen der Hebel am Lenker schwierig – alles kam zusammen, und jetzt sind wir leider auf der Gegenrichtung nach Süden unterwegs, können erst bei Heidenheim abfahren und nun bei richtig ekeligem Regenwetter wieder zurück nach Norden fahren. Insgeheim schminke ich mir bei Sicherheitstempo 90km/h, während der heftige Regen gegen mein Visier klatscht, den Gedanken komplett ab, heute überhaupt noch einen einzigen Kilometer im Trockenen fahren zu können. Der lange Autobahntunnel, der das Ende der Alb ankündigt, gewährt nur eine kurze Unterbrechung des Sauwetters, nach dem Tunnelportal geht es wieder in die Waschanlage, und damit reduziert sich das Nachdenken in dieser öden Situation wirklich auf die vitalen Grundfunktionen Atmen und Gucken, und zwar für viele, viele Kilometer auf der vor Nässe triefenden Autobahn 7…

Eine gefühlte Ewigkeit später spüre ich in der Monotonie jedoch ganz allmählich eine Veränderung der flachen Sinuskurven meiner Hirnströme: der Regen lässt ganz langsam nach, die Sicht wird besser, wir können tatsächlich wieder etwas schneller fahren und kommen so immer weiter vor die Schlechtwetterfront. Geschafft! Kurz vor Rothenburg ob der Tauber halte ich auf einem der wegen der Pfingstfeiertage mit LKW überfüllten Parkplätze. Wieder hilft die App vom Deutschen Wetterdienst. Wir können ohne Gefahr zurück auf die ursprünglich geplante Route durch das landschaftlich so schöne Taubertal.

Als wir später eine weitere Kaffeepause an einer Aral-Tankstelle unmittelbar am Ufer des Main machen, scheint sogar wieder die Sonne, und die inzwischen trocken gefahrenen Regenklamotten wandern wieder in die Koffer.

Kurz nach der Mainbrücke passieren wir leider eine Unfallstelle, bei der es auch ein Motorrad erwischt hat. Überall liegt Ölbindegranulat auf der Fahrbahn, Polizisten sitzen im Fahrzeug und schreiben etwas auf. Der Rettungswagen war schon vorher an uns vorbeigefahren. Das sind Momente, in denen nicht nur ich nachdenklich werde…

Ein halbe Stunde später erreichen wir mit dem Landgasthof zum Hirschen in der kleinen Ortschaft Oerlenbach unser geplantes Tagesziel nördlich von Schweinfurt. Unsere Zimmer sind preiswert, sehr sauber und modern eingerichtet. Unser Essen am letzten Abend der gemeinsamen Tour ist ausgezeichnet: wir haben Rehgulasch, Sauerbraten und Wildschweinbraten. Dazu gibt es Knödel oder Spätzle. Jeder kostet von jedem Teller – nur die Will-Biere trinkt jeder alleinaus. Als wir abends um 20 Uhr aus dem Fenster schauen, sehen wir einen blauen, wolkenlosen Himmel.

Es geht uns richtig gut!

 

Dienstag, 6. 6. 2017

Unser letzter Reisetag der Motorradtour 2017 hat begonnen. Morgens beim Start um halb neun ist es recht kühl, bewölkt, aber trocken. Auf Bundesstraßen kurven wir nach Norden Richtung Thüringer Wald. Bei Eisenach gibt es zwischenzeitlich sogar sonniges Wetter, es wird aber insgesamt mal wieder ein Wettlauf mit dem Regen: von Westen her rauscht wieder ein Tiefdruckgebiet heran, das uns sehr wohl noch vor der Ankunft zu Hause erwischen könnte.

Auch wenn wir uns beeilen, Pausen müssen sein: um 10 Uhr stoppen wir direkt neben der B19 an einer Grillbude. Der Parkplatz davor ist voll mit LKW – ein sicheres Indiz für die Qualität der Würste. Wir werden nicht enttäuscht: in nostalgischer Atmosphäre mit Bildern, Schildern und Utensilien aus der ehemaligen DDR gibt es „echte“ Thüringer. Ich drängele zur Weiterfahrt, und das macht letztendlich Sinn: wir kommen nach 6 Reisetagen und 2243 Tachokilometern um 13:40 Uhr wieder daheim an. Um 13:50 Uhr setzt lang anhaltender und ergiebiger Regen ein…

... ja, machen wir denn gar nichts falsch?!

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